#27 - Deadline für Finanzinstitute: Reporting der Principal Adverse Impact (PAI)

03.07.2023

Weitgehend unbemerkt von der allgemeinen Öffentlichkeit ist die Finanzbranche seit Monaten in Aufruhr: erstmals zum 30. Juni 2023 sind die sogenannten "PAI" jedes größeren Finanzinstitutes in der EU (also beispielsweise einer Bank, Versicherung oder Fondsgesellschaft ab 500 Mitarbeitern) im sogenannten PAI-Statement auf der Internetseite verpflichtend offenzulegen.

Was sind PAI?

PAI steht für "Principal Adverse Impact", zu deutsch "wichtigste nachteilige Auswirkung". Gemeint sind diejenigen wesentlichen negativen Auswirkungen von finanziellen Investments, die die Nachhaltigkeitsfaktoren Umwelt, soziale Aspekte und Unternehmensführung beeinträchtigen. Betroffen sind Produkte wie z.B. Investmentfonds, Vermögensverwaltungen oder Versicherungsprodukte.

Wenn man die Quelle dieser gesetzlichen Forderung, die sogenannte "EU-Offenlegungsverordnung", aufschlägt, möchte man sie am liebsten sofort wieder schließen. In feinster Regulatorik-Fachsprache wird im Gesetzestext eine Fülle nachhaltigkeits-bezogener Daten verlangt.

Dazu gehören 18 Pflicht-Kennziffern aus den Bereichen Umwelt, Soziales, Immobilien, Ländern und Unternehmensführung, die innerhalb eines Berichtsjahres durch die getätigten Investitionen im Portfolio gemessen werden.

Hier einige Beispiele für PAI-Kennziffern:

  • Treibhausgas-Emissionen aller getätigten Investitionen
  • Anteil der Investitionen in Unternehmen, die an Verstößen gegen den UN Global Compact beteiligt waren
  • Anzahl der Länder, in die investiert wurde, die gegen intern. Abkommen verstoßen
  • Anteil der Investitionen in Immobilien (z.B. in Immo-Fonds) mit schlechter Energieeffizienz
  • Anteil der Investitionen in Unternehmen mit fehlenden Prozessen zur Einhaltung der OECD-Leitsätze

Diese Pflicht-PAI müssen zusammen mit weiteren Angaben in einem vorgeschriebenen Formular erstmals für 2022 auf der Internetseite veröffentlicht werden.

Aber was soll das Ganze? 

Und was hat es mit der Transformation hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft zu tun?

Im Kern basiert die EU-Offenlegungsverordnung auf dem Prinzip der "Doppelten Wesentlichkeit", auch "Inside-out und Outside-in-Perspektive" genannt.

Diese "doppelte" Perspektive beleuchtet Nachhaltigkeitsrisiken, die

  • Unternehmen in ihrem finanziellen Erfolg beeinträchtigen können (Outside-in) oder
  • Risiken, die von den Unternehmen selbst auf die Faktoren Umwelt, Soziales und Unternehmensführung negativ wirken (Inside-out)

Bisher wurde in den Finanzinstituten (wenn überhaupt) lediglich die Outside-in-Perspektive eingenommen. Wissenschaftsbasierte Daten und Fakten zu Prozessen lagen bislang zu den wesentlichen negativen Auswirkungen nicht vor.

PAI doppelte Wesentlichkeit von Nachhaltigkeitsrisiken
PAI doppelte Wesentlichkeit von Nachhaltigkeitsrisiken

Woher kommen die Daten für die Offenlegung der PAI?

Im Kern sollen die Daten von den Unternehmen selbst, in die investiert wird kommen. Derzeit gibt es zu den Klima-PAI bereits eine recht gute Datenabdeckung. Das liegt daran, dass aufgrund des Klima-Abkommens von Paris bereits viele Daten erhoben werden. 

Die Datenlage in den anderen Bereichen, wie z.B. zum Thema Biodiversität oder soziale Aspekte, sind derzeit noch sehr dünn und können noch nicht vollständig erhoben werden. Allerdings hat die EU eine weitere Nachhaltigkeitsreporting-Richtlinie auf den Weg gebracht, die Corporate Sustainable Reporting Directive (CSRD), die ca. 50.000 Unternehmen in der EU verpflichtet, ab 2024 diese Daten zu ermitteln und zusammen mit den Finanzdaten im sogenannten Lagebericht zu veröffentlichen.

Welchen Nutzen haben die PAI?

Durch die Normung der negativen Auswirkungen wird versucht, eine gewisse risikobezogene Vergleichbarkeit unter den Produktherstellern herzustellen. PAI können zur Steuerung von Investments genutzt werden:

  1. Ausschluss von bestimmten Unternehmen (z.B. Verstoß gegen soziale Normen)
  2. Positivlisten (z.B. CO2-arme Branchen)
  3. PAI-Reduktionsziele auf Basis von jährlich sinkenden Höchstgrenzen
  4. PAI können als Nachweis für eine nachhaltigkeitsbezogene Anlage dienen

Zudem können Anleger innerhalb der Anlageberatung vorgeben, ob sie bestimmte PAI in Ihrer Anlage berücksichtigen möchten.

Fazit

Es ist also damit zu rechnen, dass sich die gesamte Basis an nachhaltigkeitsbezogenen Daten in den kommenden Jahren zu einem Gesamtbild vervollständigt. Wir befinden uns direkt in der Kinderstube einer neuen EU-weiten Rechnungslegung, die sich ähnlich zu den klassischen Finanzkennzahlen dynamisch weiterentwickelt. Internationale ESG-Initiativen beobachten die Vorreiterschaft der EU und erarbeiten sehr ähnliche Konzepte.

Denn eines ist klar: ohne die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der nachhaltigkeitsbezogenen Datenerhebung sowie einer radikalen Reduzierung der negativen Wirkungen werden wir die globalen Krisen nicht meistern.


Die Autorin: Nicola Lampe
Die Autorin: Nicola Lampe

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Zur Autorin: Nicola Lampe ist seit 30 Jahren in der Vermögensverwaltung der Oldenburgischen Landesbank tätig und setzt sich dort für mehr Nachhaltigkeit ein. Seit Juni 2023 unterstützt sie Finance 4Future durch Recherchen und Beiträge wie diese.